Aus alten Protokollen (1696 -
1874)
1696 wurde ein Protocollbuch angeschafft, sowie eine Lade mit Schloss zur Unterbringung der Dokumente. 1697 wurde eine Liste derjenigen Mitglieder aufgestellt, die den ständigen (=jährlichen) Weizen zu geben haben, den die "Herren von Rohrbach für Ihre Hochfürstliche Durchlaucht" (also den Landgrafen) durch den Vorsteher in der Zierenberger Renterei abzuliefern haben; insgesamt 8 Metzen, also etwa 30 kg (Diese Aufstellung wird 1779 erneuert). Außerdem muss die Brüderschaft vom Großen Bruch zu Rohrbach auf dem gleichen Wege jährlich 21 Albus Pflug- und Schenkmaß-Geld zahlen. Im gleichen Jahr musste der Vorsteher Dieterich Krieger in den Krieg ziehen und konnte sein Amt nicht wahrnehmen. Die Brüder übertrugen das Amt Hans Georg Jütte und bescheinigen ihm, dass er solches "gekonnt, herrlich und gut" verwaltet habe. Ab 1703 werden die gewählten Vorsteher mit "Gräben" oder "Greben" bezeichnet, eine Erinnerung an die in Hessen so bezeichneten Ortsvorsteher (bis 1779). Am 28.02.1728 wird ein Bruder mit einem halben Zuber Bier (etwa 50 Liter) bestraft, weil er einem anderen Bruder den Stuhl weggezogen hat, so dass dieser zur Erde gefallen und sich dabei den Kopf hätte verletzen können. 1730 wird ein Bruder mit einer Bier-Strafe bedroht, weil er "bei offener Lade" (also während der offiziellen Versammlung) seinen Pflichten nicht nachgekommen war. 1830 wird Johann Mösta zum ersten Vorsteher gewählt und im folgenden Jahr wieder ernannt. Das kommt von da ab häufiger vor, ja gelegentlich wird der Vorsteher gleich für zwei Jahre gewählt. 1831 wurden in einem Quittungsbuch die Ländereien aufgeführt, von denen Abgaben an die Rohrbacher Brüderschaft zu entrichten sind. Es sind sicherlich vorwiegend Flussstücke, die in der alten Gemarkung gelegen sind, wie aus den Bezeichnungen zu schließen ist. Allerdings sind darunter manche Namen, die sich heute kaum noch nachweisen lassen wie z.B. "an den guten Gobsbaum". Bekannter sind uns "der Kreuzstein" (nach der Karte kreuzten sich da die alte Ehlener Straße mit dem Mühlenweg). Auch der Rohrbacher Kirchhof wird mehrfach erwähnt, Hufen (das sind Hofstätten mit Äckern) "bei dem Heiligen Born", worauf auch die "Bornwiesen" hindeuten. Erwähnt werden Erblande am Mühlenweg (was auf eine dort gelegene Wassermühle hinweisen könnte), Wiesen "in den Höfen", Rohrbachwiesen, Wiesen "am Wassergraben" u.A.. Ob zu dieser Zeit die genannten Stücke noch ausschließlich von Rohrbächern bewirtschaftet wurden, ist allerdings nicht ersichtlich. 1832 beschließt die Brüderschaft, dass zukünftig bei der Verrechnung (Abrechnung) des Jahrestages jeder Bruder erscheinen soll. Falls das Lokal (der Raum) des Vorstehers zu klein wäre, soll er bei einem anderen Bruder, der ein größeres Gelaß hat, einkehren. Bei der Verrechnung soll "Gut getan werden zwei Maß Branntwein und vier Maß Bier, beim Bieraufschroten ein Schoppen Branntwein". (Aufschroten hieß soviel wie das In die Höhe-Walzen von Bier- oder Weinfässern, vermutlich mit einer Schrotleiter). Am Tag der Lichtmess (2.2.) 1844 werden die Gesetze der löblichen Brüderschaft erneuert bzw. neu gefasst. Wir finden die bekannten Grundsätze der Ordnung von 1671/1696 wieder. Neu ist der 24 mit der Anweisung, dass ein Bruder, der sich einen Diebstahl zuschuldenkommen lässt, ohne Geldbuße ausgestoßen werden muss. Im 25 wird festgelegt, dass jeder Bruder bei allen Zusammenkünften in ordnungsgemäßen Anzug und pünktlich erscheinen soll. Weiter wird das schon erwähnte Totengeleit festgelegt und beschlossen, dass alles, was in der Brüderschaft beraten und festgelegt wird, nicht außerhalb an anderen Orten "ausgekramt" (weitergeplaudert) wird. Die Ordnung wird von 20 Brüdern unterschrieben. Außerdem werden die Grundstücke aufgeführt, die von den Rohrbachern jährlich zu vermeiern (zu verpachten) sind: u.a. Das Große Bruch, das Kleine Bruch, der Nicolausplatz, die Omadenplätze, das Rohrbacher Stücke, das Leimladt, sowie die Wege vom Kreuzstein zum Hungerborn, unter dem Berge, in den Heymbrodt, in der Rohrschleife, ins Höbiecke und den Weg bis in den Rohrbach-Siegen, alles Ländereinen, die der Brüderschaft selber gehören und an die Brüder verpachtet werden. 1844 schenkt der Vorsteher Conrad Hedderich der Brüderschaft zwei neue, niedrige Messingleuchter. 1847 werden zwei Leichentücher gekauft, das eine schwarz mit Fransen und Glocken, das andere weiß (vermutlich für Kinderbegräbnisse) aus schlesinger Leinen mit Fransen, dazu zwei Florstöcke mit Trauerfloren. 1849 hat der damalige Vorsteher die dem kurhessischen Staat schuldigen Erbzinsen von acht Metzen Weizen "auf ewige Zeiten abgelöst". Hier ist einzufügen, dass die Brüderschaft unter ihren alten Dokumenten ein Quittungsbüchlein besitzt, in dem für die Zeit von 1780 bis 1846 die jährlichen Pachtzahlungen an die Stadt in Höhe von 8 Metzen und 21 Albus vom Stadtkämmerer quittiert wurden. Für die Benutzung des Rathaussaales (vermutlich die große Diele im Erdgeschoß) für die Feste der Jahrestage werden der Stadt 15 Silbergroschen entrichtet. Interessant sind die belegten Zahlungen während der Napoleon-Zeit, als Kurhessen zum Königreich Westphalen unter Jrome Bonmaparte gehörte. Da finden sich 1808 Beiträge für Ordonnanzfuhren (Kurierdienste) und Kriegsfuhren (für die Armee), sowie Zahlungen für die Verpflegung durchmarschierender Truppen (1810 bis 1819).
Alle diese der Stadt auferlegten zusätzlichen Lasten wurden vorwiegend durch die Grundbesitzer umgelegt, zu denen ja auch die Brüderschaft mit ihrem eigenen Land gehörte. Ebenso verfuhr man mit den so genannten Contributionen (Beiträge zur Unterhaltung der Besatzungstruppen). Nach der Kriegszeit erhebt der Staat, neben einer zusätzlichen Wegesteuer, wieder die alten Grundsteuern, jetzt Johanni- und Nikolai-Geschoße genannt (Geschoß oder einfach Schoß sind Abgaben bzw. Steuern, die zu bestimmten Kalendertagen fällig waren, wie z.B. auch die Juni-, Petri- und Martini-Steuer). Alle diese Abgaben, die die Brüderschaft zu leisten hat, bedingen natürlich eine gewissenhafte Zahlung ihrer Mitglieder an die Vorsteher. 1860 beschließt man einen weiteren Zusatz zu den Gesetzen: "Wenn ein Mitbruder in oder außer der Rohrbacher Versammlungen unsittlich und ungebührlich sich aufführen würde, dass er von der Obrigkeit wie auch von der Rohrbacher Brüderschaft schon gestraft wäre und alle Ermahnungen und Zurechtweisungen würden unfruchtbar bleiben, soll derselbe als unverbesserlich ausgestoßen werden. Wenn ein Mitbruder bei irgend einer Zusammenkunft der Rohrbacher Brüderschaft würde zu viel Branntwein trinken, dass er allgemein für betrunken erklärt, sich nichts sagen noch zurechtweisen lassen, vielmehr sich zänkisch und ungebührlich aufführt, soll derselbe eine Strafe büßen von 15 Silbergroschen." 1861 wird beschlossen, die bisherige Verwaltung der Rohrbacher Angelegenheiten (durch den Vorsteher und den Schreiber) ab sofort auf vier Älteste zu übertragen, denen jetzt folgende Obliegenheiten zustehen: 1. Neue Mitglieder aufnehmen, 2. Den Jahrestag zu bestimmen, 3. Schlussrechnung zu machen, 4. Strafen aller Art nach den Statuten zu verhängen, 5. Alles, was zum Wohl der Rohrbacher Brüderschaft beiträgt, es sei genannt oder ungenannt, zu besorgen. Diese Verwaltung, bestehend aus den vier ältesten (nach dem Eintrittsdatum) Mitgliedern und dem Schriftführer wird von 1874 ab Direktorium genannt. Seit 1864 wählt die Brüderschaft jeweils einen Obervorsteher und einen Untervorsteher, in neuester Zeit Vorsteher und Untervorsteher. 1871 wird wegen dem deutsch-französischen Krieg kein Jahrestag gehalten und entsprechende Beiträge, auch zur Totenkasse, nicht erhoben. Bevor 1874 die noch heute gültige Ordnung beschlossen wird, leisten sich die Herren von Rohrbach noch ein besonderes Vergnügen: "Sie unternahmen, durch schönes Wetter begünstigt, eine Spazierfahrt ins Freie und kehrten beim Bruder Gastwirt Schäfer an der Casseler Straße ein; amüsierten sich im herrlichen Sonnenschein beim Kegelspiel, und nachdem sie im Garten das Vesper eingenommen hatten, kehrte die Brüderschaft wieder zur Stadt und zum Festsaal zurück, allwo die Schwestern von Rohrbach ein Warmbier zubereitet, welches in der besten Harmonie verzehrt wurde...". Besonders zu beachten ist es, dass hier zum ersten Mal überhaupt auch die Frauen der Brüder erwähnt und mit der Bezeichnung "Schwester" angeredet werden. Noch heute ist es üblich, dass sich bei der Abhaltung der Jahrestage die Teilnehmer "Bruder" und "Schwester" nennen und das geschwisterliche "Du" benutzen. Etwa zwei Wochen vor dem jährlich stattfindenden Fest versammelt sich das Direktorium auf Einladung des Vorstehers in dessen Haus. Dann wird die Jahresrechnung durch den vorjährigen Vorsteher abgehört, der neue Jahrestag beschlossen und der Vorsteher beauftragt, hierzu alle Brüder und Schwestern, sowie auch die Witwen verstorbener Brüder einzuladen.