Rohrbacher Brüderschaft

 ältestester Verein in Zierenberg

Aus den neueren Protokollen bis zur Gegenwart


1878 werden den auf drei Jahre gewählten Direktoriumsmitgliedern wegen Auswärtswohnen und wegen unpassender Verhältnisse die Vorsteherschaft (gegen 3 Mark an die Kasse) erlassen. 1982 werden zwei Mitbrüder wegen Übertretung des 1 der Satzung ("unbescholtener Lebenswandel") aus der Brüderschaft ausgeschlossen. 1900 wird folgender Nachtrag zu den Statuten angenommen: "Wenn ein Bruder sich zum zweiten Male verheiratet, so hat er für eine Bruderstochter 3 Mark und für eine Fremde 6 Mark Einkaufsgeld zu entrichten. Wenn eine Witwe nach ihres Mannes Tode die Beiträge zur Totenkasse nicht fortbezahlt, so verliert dieselbe nicht bloß ihre Ansprüche an die Totenkasse, sondern auch, die Brüderschaft ist nicht verpflichtet, bei einem Sterbefall die Leiche bei der Beerdigung auf den Gottesacker zu tragen, noch derselben bei der Beerdigung das Geleit zu geben." 1901 erstattet die Kasse der Brüderschaft dem Mitbruder Christoph Rietze, weil er bei dem starken Brand am 14.1.1901 bedeutende Verluste gehabt, eine Beihilfezahlung von 21 Mark. 1901 wird die Brüderschaft beim Königlichen (Preussischen) Amtsgericht in Zierenberg in das Vereinsregister eingetragen. Die Beobachtung, dass in vielen Jahren die Sitzungsprotokolle einen fast gleichlautenden Inhalt haben, lässt darauf schließen, dass die Brüder im allgemeinen die selbstverordneten "Gesetze" sorgfältig beachten. Ab und zu nur muss das Direktorium einmal eine Strafe beschließen, etwa wenn ein Mitbruder wegen Trunkenheit 3 Mark zahlen muss und für zwei Jahre von den Feiern des Jahrestages ausgeschlossen wird. Zugleich wird ihm, falls er sich nicht bessert, der Ausschluss angedroht. Ein Beschluss von 1907 legt fest, dass der Brüder und Schwestern, die im abgelaufenen Jahr gestorben sind, in der Generalversammlung feierlich gedacht werden soll. Der Weltkrieg von 1914 - 1918 schlägt sich in dem Beschluss nieder, während dieser Jahre jeweils auf die Festlichkeiten zu verzichten und den im Felde stehenden Brüdern (9) und Brüderssöhnen (19) Liebesgabenpakete zu schicken. Wenn auch in diesen Jahren stets der Verstorbenen gedacht wird, so werden doch keine Namen genannt. Es ist also nicht erkennbar, ob auch Männer aus der Brüderschaft Opfer des Krieges geworden sind, was bei insgesamt 300 aus Zierenberg ausgezogenen Soldaten und 46 Gefallenen mit Sicherheit angenommen werden kann. Erst im Jahre 1920 werden die Festlichkeiten nach alter Ordnung wieder aufgenommen. Aufgrund der eingetretenen Teuerung muss auch die Brüderschaft die Pachtbeträge für ihr Land verdoppeln. Im Inflationsjahr 1923 wird die Feier des Jahrestages nur auf einen Tag beschränkt. Durch die Geldentwertung ist auch das Kapital der Sterbekasse verloren gegangen und muss neu zusammengetragen werden. 1928 werden erstmalig Brüder wegen ihrer 50jährigen Zugehörigkeit zur Brüderschaft geehrt. Ein Jahr später wird -erneut- gerügt, dass die verpflichteten Träger bei Beerdigungen unentschuldigt gefehlt haben. 1933 wird beschlossen, dass "wegen der Schwere der Zeit und Geldknappheit" nur 4 Musiker bestellt werden sollen. Doch im nächsten Jahr engagiert man wieder acht Musikanten. Dem Mitbruder Karl Rietze, dem am 06.1.1933 seine Behausungen niederbrannten, wird eine Beihilfe gewährt.

Es ist seltsam, dass der politische Umbruch in Deutschland und der Einbruch der nationalsozialistischen Partei in alle Lebensformen mit keinem Wort in den Protokollen erwähnt wird. Ansonsten wurden ja alle Vereine und Verbände aufgelöst oder in Massenorganisationen zwangsüberführt. Im ländlichen Bereich war es der "Reichsnährstand", der alles an sich zog. Ob man die Brüderschaften unangetastet ließ, weil sie ein wertvolles bäuerliches Brauchtum darstellten oder als allgemein unpolitisch eingestuft wurden, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls verlieren die Protokolle, im Gegensatz zu allen anderen Veranstaltungen der damaligen Zeit, kein einziges Wort über die neue "Volksgemeinschaft". 1940 wird, nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, erneut auf die Abhaltung der Jahrestage verzichtet und der Opfer des Krieges gedacht. Man hält lediglich die Versammlungen ab, die durch das Vereinsgesetz vorgeschrieben waren. Im älteren Protokollbuch befindet sich ein Bericht des Bruders Konrad Richter über die Zeit des 2. Weltkrieges, der im März 1947 niedergeschrieben wurde: "Am 2. Ostertag zogen die ersten amerikanischen Truppen in Zierenberg ein; ein kurzer Kampf am 1. Ostertag bei der Kolonie Friedrichsaue kostete drei unbekannten deutschen Soldaten das Leben. Auch der derzeitige Vorsteher musste in diesen Tagen innerhalb einer 1/2 Stunde sein Haus für die Einquartierung räumen. Bei der Schnelligkeit konnte nur die Lade der Brüderschaft mitgenommen werden, der große Koffer, welcher im Hause zurückblieb, wurde, wie alles andere, von den Truppen gründlich durchwühlt, aber nichts wesentliches entwendet. Eine große Anzahl von Verordnungen wurde von der Besatzungsbehörde erlassen, durch welche der Bevölkerung allerlei Einschränkungen auferlegt wurden. Abgabe von Waffen und Fahnen, Fotoapparaten und Ferngläsern, Ausgehverbote und Haussuchungen. Alle Vereine und Verbände wurden aufgelöst. Dank ihrer alten Tradition, aufgebaut auf sittlicher und religiöser Grundlage, ist die Rohrbacher Brüderschaft bis heute keinerlei einschränkenden Maßnahmen ausgesetzt worden und hofft auch in Zukunft ihre Jahrestage in althergebrachter Weise feiern zu können, um die alten Sitten und Gebräuche der Nachwelt zu erhalten. Durch die Kriegszeit hindurch bis auf den heutigen Tag beschränkte sich die Tätigkeit der Brüderschaft auf 4 Sitzungen des Direktoriums und 5 Generalversammlungen, in welchen die geschäftlichen Belange geregelt wurden. 5 Brüder und 5 Schwestern starben in der Berichtszeit. Während der Vorsteher sonst jährlich wechselt, übte der derzeitige Vorsteher sind Amt 8 Jahre aus. Von der Brüderschaft wurden 11 Brüder zu den Fahnen einberufen: Heinrich Fischer, Karl Sachse, Hermann Schäfer, Heinrich Brede, Hasn Gunkel, Heinrich Heyde II, Heinrich Scharf, Heinrich Rietze, August Mogge und Heinrich Brake. Die 4 zuerst Genannten befinden sich heute noch in Kriegsgefangenschaft. Von H. Brede kam bis heute kein Lebenszeichen. Außerdem starben eine Anzahl hoffnungsvoller Brüdersöhne den Heldentod." Nach acht Jahren Unterbrechung werden die Jahrestagsfeiern 1948 wieder aufgenommen. 1958 beteiligt sich die Brüderschaft am Viehmarktsumzug mit einem eigenen Festwagen und erhält dafür den II. Preis. Bei dieser Gepflogenheit wird man auch in den kommenden Jahren bleiben. Man beschließt ferner, am Volkstrauertag einen eigenen Kranz mit Schleife am Ehrenmal niederzulegen. 1966 verkauft die Brüderschaft ihr Grundstück "am Fuhrmannsbeutel" und erwirbt dafür ein Grundstück "in der Sandkaute". 1974 entbrennt eine heftige Diskussion über die Frage, ob man beim abendlichen Tanz zum Jahrestag nur die alten, überlieferten Tänze spielen oder auch neuere dazunehmen soll. Beschlossen wird, dass grundsätzlich die alte Tradition gepflegt werden soll, aber auch, um der Jugend etwas entgegenzukommen, neue Tänze getanzt werden können. Die Anweisungen an die Kapelle sollen ausschließlich vom Vorsteher gegeben werden. 1987 wird bekannt gegeben, dass die Familie Richter am Jahrestag mit vier Generationen teilgenommen hat. Konrad Richter gehört der Brüderschaft 65 Jahre lang an. Während des Golfkrieges im Jahre 1991 (gegen den Irak) beraten ausnahmsweise die Direktorien der beiden Brüderschaften (Rohrbacher und Leutzewärter) gemeinsam darüber, ob unter dem Eindruck der Ereignisse die beiden Jahrestage stattfinden sollen. Schließlich beschloss man, zwar keine Musikumzüge durch die Stadt zu unternehmen, aber die Jahrestage nicht ausfallen zu lassen: "Die Brüderschaften, vor mehreren Jahrhunderten als Notgemeinschaften gegründet, sind gerade in einer solch schwierigen Zeit der Zusammenhalt vieler Familien. Die Jahrestage dienen der Erhaltung und Fortführung der Brüderschaften".

1991 wird erstmalig eine Sportgruppe erwähnt, die an mehreren Turnieren erfolgreich teilnahm. Neben einer Busfahrt nach Thüringen beteiligte man sich wieder am Viehmarkt und beim "Spiel ohne Grenzen". 1992 genehmigt der Vorstand die Verlegung einer Gasfernleitung durch die Rohrbacher Wiesen und beschließt eine rege Beteiligung am kommenden Stadtjubiläum. Die Brüderschaft richtet eine Hobbyfußballmeisterschaft des Kreises aus und veranstaltet, zusammen mit den Leutzewärtern, einen Familientag im Rahmen der 700-Jahrfeier von Stadt und Kirche. Es wurde eine Ausstellung mit historischen Dokumenten und Geräten im Rathaus, eine Wanderung zu den Wüstungen Rohrbach und Ludwardessen, ein Bieraufschroten unter der Rohrbacher Eiche sowie ein gemeinsamer Abschluss auf dem Marktplatz veranstaltet. Ein gemütlicher Abend wurde bei einem Bruder in Zwergen durchgeführt. Zum Treffen an der Eiche hatte das Direktoriumsmitglied Konrad Rose eine Darstellung der Rohrbacher Geschichte zusammengestellt. 
In den vergangenen Jahren hatte sich herausgestellt, dass die Noten für die alten Tänze, die bisher vom langjährigen Kantor August Mogge und dessen Tochter behütet worden waren, inzwischen altersschwach und pflegebedürftig geworden sind. Nach einigen Verhandlungen hat dann die Stadt das Neubinden und die Herstellung von Kopien der handgeschriebenen Noten übernommen. Die Originale werden seitdem im Tresor des Rathauses verwahrt. 1995 wurde die aktive Sportgruppe von Rohrbacher Firmen mit neuen Trikots beschenkt. Zum Jubiläumstag 1996 will man alle noch lebenden Pfarrer- und Bürgermeisterehepaare einladen. Ein besonderer Gottesdienst soll am 09. Juni in der Stadtkirche gehalten werden; am Sonnabend danach wird man sich am alten Dorfplatz treffen und einen Erinnerungsstein neben der neu gepflanzten Eiche aufstellen.

Bevor die noch heute gültigen erneuerten Statuten (mit Ergänzungen) abgedruckt werden, sollen hier noch einige Quellenangaben mitgeteilt werden:
Fritz Hufschmidt: Geschichte des oberen Warmetales, Wolfhagen 1905 
Michael Hederich: Zierenberg in Geschichte und Gegenwart, Kassel 1962 Festschrift zum 700jährigen Stadtjubiläum, Zierenberg 1994
Heinrich Baumann: Geschichte der Leutzewärter Bruderschaft, 1962 
Konrad Rose: Vortrag unter der Rohrbacher Eiche von 1993 Protokoll- und Rechnungsbücher der Rohrbacher Brüderschaft ab 1696


- 1996- traditioneller Fußmarsch durch Zierenberg mit Kaffekesseln und den Kuchenblechen