Rohrbacher Brüderschaft

 ältestester Verein in Zierenberg

Die Rohrbacher in der Stadt Zierenberg

Die ersten Einwohner von Rohrbach dürften schon 1344 in die Stadt übergesiedelt sein. Damit waren sie zwar aus der Jurisdiktion des Klosters Hasungen heraus, doch gab es auch in der Stadtgemeinde viele Pflichten für die Neubürger.


Man darf mit Sicherheit annehmen, dass z.B. die umfangreiche Stadtmauer mit drei Stadttoren und zahlreichen Türmen vorwiegend von den Stadtbewohnern selbst erbaut werden musste. Wenn man die Inschrift in der Kirchturmhalle richtig deutet, hat man 40 Jahre bis zur Vollendung der Stadtmauer benötigt. Ein Blick auf die heute noch vorhandenen Teile des stattlichen Mauerringes lässt ahnen, welche Mengen an Baumaterial dazu angefahren und verarbeitet werden mussten. Die Mauer wurde so angelegt, dass sie von innen über Aufgänge bestiegen und verteidigt werden konnte; eine Aufgabe, an der sich auch die Männer der Stadt und damit der Brüderschaften beteiligen mussten.
Um alle Punkte der Mauer schnell erreichen zu können, ließ man zwischen ihrer Innenseite und den Häusern einen schmalen Ringgang frei und verband die gegenüberliegenden Mauerabschnitte durch Laufgassen, die quer durch die Stadtviertel liefen. Eine zweite wichtige Aufgabe für die neue Stadtgemeinschaft war der Bau der wuchtigen Stadtkirche. Auch hier werden sich die Bürger, neben entsprechenden Baufachleuten, mit vielen Hand- und Spanndiensten beteiligt haben. Der Inschriftenstein in der Kirchturmhalle legt den Baubeginn auf das Jahr 1293 fest, wobei offen ist, ob es sich dabei um die Kirche, um die Stadtmauer oder um beides gehandelt hat. (Denn dieser Stein war früher an der Außenwand der Kirche, vielleicht sogar vorher an der Stadtmauer eingesetzt gewesen.) Als drittes Bauprojekt darf hier nicht vergessen werden, fiel ja für jede Familie, die von Rohrbach in die Stadt zog, die Errichtung eines eigenen Wohnhauses an. Bei den damaligen bescheidenen Besitzverhältnissen mussten dazu sicher viele das Baumaterial für den Neubau durch den Abbruch des alten Hauses gewinnen, eine ebenso zeitraubende wie mühsame Umzugsarbeit unter erschwerten Bedingungen. Es gibt über diese harten Aufbaujahre keinerlei Berichte. Nur aus den sichtbaren Ergebnissen (der Mauer, der Kirche und den Häusern) lässt sich auf das schließen, was damals zu leisten war und geschaffen wurde. Die einzige urkundliche Nachricht über das Vorhandensein einer oder mehrerer Brüderschaften in der Stadt ist ein Schreiben des Landgrafen Hermann an "den lieben, getreuen Bürgermeister und Rat zu dem Tyrenberge" vom 16. Januar 1357, in dem es heißt: "Wer sich dahin setzt, sein eigenes Werk zu nehmen, die sollen unsere geschworenen Bürger werden und sollen an Gottes Erbe geben ein Pfund Wachses zu offenem Geleucht. Danach, wenn jemand in Eure Bruderschaft will, die soll er dann erwerben nach Eurem Gesetz, so wie sie das festgesetzt haben. ..." Den Neuzugezogenen sollen Schultheiss und Bürgermeister "die Gesetze lehren, er wäre in der Bruderschaft oder nicht, deren Junge soll auch ein Pfund Wachs geben zu einem Geleucht....; ... Weiterhin, wer da ist in Eurer Bruderschaft, kaufte der Vorsteher Gut oder Rauhgut oder täte Stücke, die wider sie wären, die sollten Eurer Bruderschaft entbehren, ganz gleich, wo er her wäre." Damit wird also festgelegt, dass das Bürgerrecht durch einen Eid auf den Landesherren (oder die Stadtverfassung) und eine Opfergabe an die zuständige Kirche erworben werden musste. Der Beitritt zu einer Brüderschaft soll nach deren Gesetzen, die es damals also schon gab, vollzogen werden. Auch die Vorsteher der Brüderschaft sollen sich an die Gesetze halten, sonst müssten sie ohne Ansehen der Person daraus entfernt werden. Damit ist deutliche erkennbar, dass zumindest eine in der Stadt vorhandene Bruderschaft dem Landesherrn bekannt war und ihre Statuten von ihm offiziell anerkannt wurden. 60 Jahre nach der Stadtgründung gehörten also eine oder mehrer Brüderschaften mit eigenen Vorstehern und Satzungen zur städtische Bevölkerung. Da der Ort Rohrbach als erster verlassen wurde, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die obige Urkunde auf jeden Fall die Rohrbacher in der Stadt meint. Die Vorsteher werden auch für die innere Ordnung unter den Mitgliedern, die vielleicht sogar in bestimmten Quartieren in der Stadt zusammengewohnt haben, verantwortlich gewesen sein. Abgesehen von den im vorigen Kapitel aufgeführten Nachrichten über Rohrbacher Angelegenheiten wissen wir bis zur Einführung der Reformation (im Land ab 1526 und in der Stadt Zierenberg ab 1531) nichts weiteres über diese Zeit. Aber alle Bürger bekannten sich alsbald zur evangelischen Lehre und wuchsen in die reformierte Kirchengemeinde unter dem Evangelium hinein. Indirekt kann man das daran erkennen, dass in den späteren Satzungen der Brüderschaften macherlei biblische oder an Luthers Katechismus erinnernde Formulierung zu finden sind. 1529 werden am Rohrberg zum letzten Mal Bären und Wölfe gesichtet. 1616 wurde der Berg bei Grenzstreitigkeiten zur Hälfte Hasungen, zur Hälfte Zierenberg zugesprochen. Während des 30jährigen Krieges (1618-1648) haben die Truppen des kaiserlichen Generals Tilly 1624 die hiesige Bevölkerung drangsaliert und ausgeplündert, 1636 die Soldateska des Generals Götz und 1637 die grausamen Kroaten. Am Ende des Krieges zählte man noch 200 Einwohner in der Stadt. 118 Wohnhäuser wurden noch bewohnt, 72 sind verbrannt oder verfallen, 31 waren unbewohnte Baustellen. Von 893 Äckern wurden nur noch 409 ausgesät, der Rest liegt brach. Für die Landbestellung stehen nur noch 13 Pflüge zur Verfügung. Selbst die erwähnte Aussaat erfolgte vorwiegend auf verunkrautes oder Brachland. Die Schulden der Leute sind so hoch, wie es heißt, "als sie zehnmal bezahlen können". Hier und da gab es noch eine Kuh oder ein Pferd; doch war ein landwirtschaftlicher Ertrag nur noch zu erwirtschaften, wenn sich die Überlebenden gegenseitig aushalfen und ihre Geräte austauschten. Das erklärt auch jene seltsamen Bestimmungen in den alten Statuten über das Ausborgen von Pflügen und deren ordnungsgemäße Rückgabe innerhalb der Brüderschaft. Vielleicht ist auch der so genannte "Rohrbacher Schinken" (trockenes Brot mit Salz und Kümmel), wie es heute noch bei den Jahrestagen verteilt wird, eine Erinnerung an diese furchtbare Notzeit. Natürlich war auch die Zahl der Mitglieder derartig gesunken, dass die Brüderschaften praktisch aufgehört hatten bzw. nicht mehr satzungsgemäß besetzt waren. Es ist verwunderlich, dass die Protokollbücher der Rohrbacher auch die schweren Stadtbrände der nächsten Jahre überstanden haben, insbesondere die Brandkatastrophe von 1707, in der nicht nur die wertvollen Kirchenbücher, sondern auch die Akten im Rathaus den Flammen zum Opfer gefallen waren. Vielleicht hatten umsichtige Vorsteher ihre Bücher beim Ausbruch des Feuers sofort in die alte Steinkammer in der Marktgasse getragen. Diese hatte man schon um 1300 zwischen den leicht brennbaren Wohnhäusern erbaut, um dort die wichtigsten Papiere und Wertsachen bergen zu können. Jedenfalls sind die Brüderschaftspapiere die einzigen in der Stadt noch erhaltenen Unterlagen aus der Zeit vor diesem Großbrand, der die halbe Stadt in Schutt und Asche legte.